Ben & Camrianne | Der amerikanische Traum einer Schweizer Hochzeitsfotografin
Es gibt Hochzeitsfotografen, man nennt sie “destination photographers”, deren Beruf ist es, jedes Wochenende in ein anderes Land zu einer sogenannten “destination wedding” zu reisen – also einer Hochzeit im Ausland, an einem besonders schönen Ort. Für viele kleinere Hochzeitsfotografen ist das der absolute Traum und sie arbeiten darauf hin, solche Buchungen zu bekommen. Auch ich würde dazu nicht nein sagen, trotzdem ist es für mich in meiner Situation nicht realistisch, das regelmässig zu machen, denn mein Hauptberuf ist ja ein anderer und ich kann es mir zeitlich nicht leisten, jedes Wochenende zu verreisen. Trotzdem ist es natürlich unglaublich reizvoll, und neben einer Hochzeit in der Toscana war auch eine Hochzeit in den USA schon lange ein kleiner Traum von mir. Andere Landschaften, andere Traditionen, andere Gebräuche – daraus entsteht eine andere Ästhetik, die man als Schweizer Hochzeitsfotografin nicht antrifft. Obwohl ich nicht seit 30 Jahren im Geschäft bin und noch keine 100 Hochzeiten fotografiert habe, freue ich mich immer, wenn ein Paar sich traut, seinen Tag etwas anders als all die anderen zu gestalten. Routine vernichtet zuverlässig die Kreativität, Abwechslung und neue Situationen hingegen fördern sie, und so habe ich mich wahnsinnig gefreut, als sich durch glückliche Umstände diese Möglichkeit für mich ergeben hat. Verhältnismässig kurzfristig haben wir das Ganze geplant, und durch viel guten und schlechten Stress in den Wochen davor konnte ich gar nicht zu viel darüber nachdenken. Irgendwann war der grosse Tag plötzlich da, und ich habe meine Koffer gepackt – zur Hälfte voll mit Kameras, Objektiven und Blitzen – und bin losgezogen. Nach knapp 11h Flug bin ich spät abends in Denver, Colorado gelandet und wurde von der zukünftigen Braut und 2 ihrer 11 Nichten und Neffen am Flughafen begrüsst. Keine 30min später fand ich mich schon zum ersten Mal in einem drive-through einer amerikanischen Fast-Food-Kette wieder – die Kinder, die so geduldig auf mich gewartet hatten sollten belohnt werden! 😀 Typisch amerikanisch – ich habe mich ebenso typisch schweizerisch der Zuckerbombe vorerst mal noch enthalten. Kurz später sind wir auf der Farm der sehr grossen Familie angekommen – mitten in Colorados Nirgendwo. Viel konnte ich in der Dunkelheit nicht erkennen, aber ich wurde herzlichst begrüsst und bin schon wenige Minuten später müde ins Bett gefallen. Lange hat der Spass nicht angehalten, Jetlag sei dank. Nachdem ich mich noch 6 Stunden wach im Bett gewälzt hatte, kam irgendwann Leben ins grosse Haus und ich hab nach und nach alle Familienmitglieder kennengelernt. Bis heute bin ich mir noch nicht bei allen sicher, von wem sie jetzt die Tochter oder der Bruder sind, aber die Herzlichkeit, mit der sie mich empfangen haben, ist ihnen allen gemein. So begann also eine Woche voll mit Vorbereitungen für den einen grossen Tag: Muffins backen (grob gesagt: eine Schicht Schokolade, eine Schicht Peanut Butter und darüber nochmal eine Schicht Schokolade), Deko auspacken und vorbereiten, Gastgeschenke verpacken, ein Besuch aller weiblichen Familienmitglieder bei der Maniküre, die Bachelorette-Party… Wir waren gut beschäftigt und die Tage vergingen wie im Flug. Am Tag vor der Hochzeit findet bei amerikanischen Hochzeiten traditionellerweise ein sogenanntes “rehearsal dinner” statt, eine Art Probedurchlauf. Die ganze Zeremonie wurde mit der gesamten “bridal party” (6 Brautjungfern, 6 Trauzeugen und jeweils ebensoviele Kinder, sprich 24 Personen) mehrmals durchexerziert, bis jedes Kind genau wusste, wann es wo stehen oder gehen soll.
Perfekt vorbereitet war ein Tag später der grosse Moment also da, und obwohl die Trauung erst um 17:30 Uhr abends stattfand, begannen die Vorbereitungen (Haare & Make-Up) schon am Mittag. Ich glaube, man kann sich das Chaos lebhaft vorstellen, wenn eine Braut, 6 Trauzeuginnen und 6 kleine Mädchen in einem einzigen Raum parat gemacht werden müssen. Zwischendurch bin ich manchmal schnell ins Haus gegenüber gehuscht, denn da haben sich die “boys” vorbereitet: sie haben erstmal eine Runde Karten- oder Videospiele gespielt. Eine Ruheoase im Vergleich zum Haus nebenan! 37 Grad warm war es, und genau in dem Moment, in dem wir für die Fotos der bridal party nach draussen wollten, begann es zu regnen. “The weather in Colorado is safe in July” hat mir Camrianne ursprünglich mal gesagt – tja, nicht an dem Tag! Glücklicherweise hat es bald wieder aufgehört, und im Nachhinein waren wir ganz froh darum, denn so hat es ein bisschen abgekühlt. Nachdem wir die Gruppenfotos hinter uns gebracht hatten, wurde es langsam konkret. Eine kurze, aber wunderschöne und sehr lustige Trauung später war das Ganze auch schon vorbei und der Abend konnte beginnen. Ein lang gehegter Traum von mir ging auch da in Erfüllung: das Dinner fand unter freiem Himmel statt, dekoriert mit diesen wunderschönen Lichterketten aus Glühbirnen! Zur perfekten Zeit bei Sonnenuntergang habe ich die beiden kurz für ein perfektes Shooting entführt, denn wie ich oft meinen Brautpaaren sage: Viel Zeit braucht man dafür nicht (30-45min), aber perfektes Licht (bei Sonnenuntergang) ist so wichtig! Darauf folgten noch ein paar Reden, der klassische “first dance” wie auch der Vater-Tochter-Tanz – auch das auf einer Tanzfläche, die mit wunderschönen Lichterketten beleuchtet war. Fotografisch anspruchsvoll, aber einfach nur schön. Der “sparkler exit” am Schluss hat mir einen weiteren fotografischen Traum erfüllt, und so ging ein wunderschöner, aber sehr anstrengender Tag zu Ende. Zwei Tage und noch einem kurzen Besuch im Rocky Mountain National Park später bin ich mit ganz viel neuen Erlebnissen (und unzähligen gut und mehrfach gesicherten Fotos) zurück in die Schweiz geflogen. Danke an alle, die das ermöglicht haben – ein unglaubliches Erlebnis.
Die Woche davor…
Der grosse Tag